Pfingstrosen:
Glück für ein ganzes Leben
Ganz gleich, welche der attraktiven Arten und Sorten der Päonien, auch Pfingstrosen genannt, in den Garten gepflanzt werden soll – es handelt sich immer um eine langfristige Entscheidung. Päonien sind beständige Schönheiten, die jahrzehntelang an einem Standort wachsen und gedeihen. Vielleicht gelten sie deshalb in China als Symbol für Reichtum und Glück. Oft findet man sie gemeinsam mit dem Schicksalsknoten auf Webstücken, Vasen und Malereien abgebildet und die Züchtung zahlreicher schöner Sorten begann Jahrhunderte früher als bei uns in Europa.
Als Blume genießt sie in Asien die höchste Wertschätzung; lediglich die Chrysantheme konnte ihr dann und wann den Rang streitig machen. Jahrhunderte lang war es in China nur dem Hochadel vorbehalten, Päonien in seinen Gärten zu halten. Vielleicht waren sie darum als Symbol der Dekadenz dem Politbüro so unangenehm, dass man sich während der Kulturrevolution im Reich der Mitte verdächtig machte, wenn man sie im eigenen Garten hatte. Doch auch das Politbüro konnte der Päonie den Status der »flora non grata« nicht dauerhaft aufrecht erhalten – und mittlerweile darf sie längst wieder auch in China populärer sein als je zuvor.
Zu den unkompliziertesten Gartenpflanzen gehören die staudigen Päonien, die im Gegensatz zu den Baum- oder Strauchpäonien jedes Jahr im Herbst oberirdisch absterben und aus dem festen Wurzelstock im Frühjahr wieder austreiben. Die wichtigsten Arten der Stauden sind Paeonia officinalis und Paeonia lactiflora.
Erstere, die auch »Bauernpfingstrose« genannt wird, stammt aus Europa und man kennt und liebt sie bereits seit der Antike. Den Namen haben diese Pflanzen schließlich von Paeon, einem mythischen Arzt. Er war ein Sohn des Asklepios (besser bekannt unter dem römischen Namen Aesculap), und machte sich bei mancherlei Scharmützeln als Wundheiler nützlich, indem er Ares oder Hades wieder zusammenflickte. Den Helden Herakles heilte Paeon sogar vom Wahnsinn – mit einer Paeonie, versteht sich. Auch im alten Rom verehrte man die Paeonie. Es hieß, sie war dem Mars heilig und jeder der es wagte, eine Pflanze auszugraben habe sich in Acht zu nehmen, dass nicht ein Rabe in der Nähe ist. Dieser würde als Verteidiger der Blume jedem Frevelnden sofort die Augen aushacken. (Wie gut, dass so Raben nicht in der Nähe der Gärtnereien leben, nicht auszudenken …).
Paeonia officinalis-Blüten haben wie alle Paeonienarten eine einfache Blütenschale und in der Mitte goldpudrige Staubgefäße und Narben. Mit der Zeit selektierte man gefüllte Sorten. 'Rubra Plena' ist sehr verbreitet und wurde von den mittelalterlichen Mystikern zur Pfingstrose erkoren – sicher erinnerten die länglichen Blütenblätter, die zum Pfingstfest erscheinen an die Feuerzungen des Heiligen Geistes. Und noch einer zweiten Lichtgestalt christlichen Glaubens wurde die Pfingstrose zugeeignet: der Madonna Maria. Sie galt als »Rose ohne Dornen« und als nichts anderes bewertete man die Pfingstrose auch. Neben der beliebten 'Rubra Plena' gibt es weitere Spielarten in unterschiedlichen Rosatönen und sogar in kreideweiß.
Seit gut 200 Jahren erst, beglückt Paeonia lactiflora, die Chinesische Staudenpäonie, die europäischen Blumenliebhaber. Ihre Wuchsform ist länger gestreckt als die der europäischen Verwandten. Die Blüten schimmern zwischen milchweiß, rosa und purpurrot und werden etwas größer. Viele Sorten haben einen roten Austrieb und schön gefiedertes Laub. Das Sortenspektrum ist beachtlich und zur Farbenvielfalt kommt noch der Formenreichtum: Ballförmige Blüten etwa sind etwas wuselig und im aufgeblühten Stadium fast kugelrund. Rosenförmige Päonien haben relativ ordentlich sortierte Blütenblätter und blühen kuppel- bis schalenförmig auf. Locker bis halb gefüllte Sorten lassen zwischen den großen Blütenblättern goldgelbe Staubgefäße durchblitzen. Sogenannte Anemonenblumige Päonien haben einen Kranz großer Blütenblätter um meist hellrosa bis weiß gefärbte schmal verbänderte Staubgefäße, die einen gewissen Übergang zu Blütenblättern darstellen. Solche Sorten wirken unerhört exotisch. Puristen, schließlich, kommen ins Schwärmen bei einfachen Päonien, die aussehen wie aus einem japanischen Wandbild entwachsen.
Es ist sehr schwer, von den zahlreichen Sorten die schönsten zu empfehlen, da die allermeisten Züchtungen einander in Wuchskraft und Blütenfülle gleichen. Meinen persönlichen Geschmack treffen die einfachen Sorten 'Krinkled White' (weiß, mit geknitterten Petalen), 'Svarte Petter' (dunkelrot) oder 'Nymphe' (rosa), weil sie sich in ihrer schlichten Anmut sehr leicht mit anderen Pflanzen vergesellschaften lassen. Außerdem kippen die Blüten nicht bei Regen und Wind um und werden unansehnlich.
Auf gefüllte Blüten mag ich jedoch auch nicht verzichten, zumal einige von ihnen besonders angenehm duften. Als Schnittblume sind sie nicht steigerbar und ein Frühsommer ohne die lilarosa schimmernde 'Edulis Superba' oder die karminrote 'Fokker'? Einen ungewöhnlich gelben Schimmer der Innenpetalen hat zumindest beim Aufblühen 'Primevere', die allerdings mit der Zeit in zartes Creme aufhellt.
Wer auf die Treue der Päonienpflanzen bauen möchte, muss ihnen auch etwas bieten. Ein guten Gartenboden (bitte ohne frischen Mist oder zu viel Stickstoff, sonst gibt es Knospensterben) ohne Wurzeldruck durch mächtige Bäume und Sträucher, und eine große Portion Sonne sind unabdingbar. Blüten erscheinen nur, wenn die Pflanzen hoch genug im Boden stehen. Die im Boden ruhenden Triebanlagen, die man im Herbst beim Umpflanzen gut erkennen kann, müssen »die Sonne riechen« können. Kommen sie tiefer als fingerbreit in den Boden, wird man vergeblich auf Blüten warten.
Päonien kommen, wenn die Qualität stimmt, erfahrungsgemäß im ersten oder zweiten Jahr zur Blüte. Bei Topfware sollten Sie Gefäße von min. 3 Liter Erdvolumen wählen. Der Grund: Bei kleineren Töpfen werden die rübenartigen Wurzeln auf Topfformat zusammengestutzt und es dauert seine Zeit bis sich die ersten Blüten entwickeln. Dennoch – keine Sorge, sie kommen auf jeden Fall voran, wenn die oben genannten Bedingungen stimmen! Im Falle des Falles ist die so genannte Wurzelware, die, frisch geerntet, ohne Erde im Spätherbst angeboten wird, aber vorzuziehen. Bei mir im Garten blühten neue Wurzelware-Pflanzen fast immer im ersten Jahr und wuchsen zügig heran.
Pfingstrosen gelten auch als heikel, wenn sie verpflanzt werden sollen. Auch das kann ich so nicht bestätigen. Werden mir Päonien zu groß oder stehen sie am falschen Platz, nehme ich sie Mitte bis Ende Oktober mit der Grabegabel vorsichtig aus dem Boden, schüttle die Erde ab und breche sie in Teilstücke auseinander die höchstens 4 bis 5 Blätter, sprich Triebanlagen haben. Diese Stücke dürfen nicht wieder an die gleiche Stelle gesetzt werden – aber woanders gedeihen sie prächtig und blühen zuverlässig.
Dennoch sollte man die Pflanzen möglichst in Ruhe wachsen lassen, denn je älter sie werden, desto reicher und sortentypischer blühen sie. Verschleißerscheinungen kennen Päonien nicht – Treue ist eben nicht nur ein Wort!
Text von Andreas Barlage