Iris – die Göttliche
Das Prinzip der Blüte ist bei allen mannigfaltigen Arten und Sorten gleich. Drei Blütenblätter weisen nach unten (man nennt sie profan »Hängeblätter«) und drei himmelwärts, die den so genannten »Dom« bilden. Anders als die meisten anderen Blüten bilden die Blütenblätter keine Schalen, in die man hineingucken kann, sondern sozusagen Brücken, die zwischen Himmel und Erde schweben. Kein Wunder, dass sie mit der schönen, in Tau gewandeten Götterbotin in Zusammenhang gebracht werden. Der raffinierte Bau der Blüte inspirierte seit jeher Pflanzenästheten und besonders in der Belle Epoche waren Irisblüten bei den Künstlern des Jugendstils sehr en vogue.
Neben der Blütenform ist es auch der unerhörte Farbenreichtum, der die Iris-Pflanzen mit der Iris-Göttin verbindet. Letztere wandelte auf dem Regenbogen zwischen den Welten, während die Blüten, besonders die der Bart-Iris, in allen Regenbogenfarben schillern (abgesehen vom Signalrot, das wir getrost dem Mohn überlassen können…). Doch es sind nicht nur die gesamten Blüten, die alle Farbregister ziehen. Einfarbige Iris wirken besonders nobel; erinnert sei an die lavendblaue 'Lovely Again'.
So genannte Plicatas haben Strichelmuster, die selbst talentierteste Grafiker vor Neid erblassen ließen. In einer einzigen Blüte finden sich mitunter drei, vier Farben in sanften Verläufen. Selbst »unmögliche« Farbzusammenstellungen kommen vor, die etwa Rosabraun und Orangegelb in sich vereinen.
Zugegeben, jede Blüte bekommt einen überirdischen Reiz, wenn Regentropfen und Sonnenlicht sich auf ihr begegnen. Irisblüten sind aber eindeutig eine Steigerung dieser etwas theatralischen Gartendramatik. Durch ihren raffinierten Blütenbau strahlen sie wie Edelsteine im Gegenlicht. Besonders die saphirblauen Schattierungen – vom schwebend leichten Lila bis zum mysteriösen Violett – stellen selbst noch so kapriziöse Orchideenblüten in den Schatten.
Text von Andreas Barlage