Winternachlese, die Zweite
Text: Ludwig Fischer
Fotos: Gerlinde Sachs, Staudengärtnerei Gaißmayer
An seinen letzten Tagen will der April zeigen, dass er es auch anders kann: nicht so kühl und wechselhaft wie in den vergangenen Wochen meistens. Auf einmal kommt die Wärme auch hier im Norden an, nicht so strahlend und sommerlich wie im Süden, aber immerhin, bei bedecktem Himmel an die zwanzig Grad. Für die Kirschblüte kommt die Frühsommerahnung zu spät, aber im Kräutergarten ist der starke Wachstumsschub unübersehbar.
Allmählich lässt sich auch bei den Mittelmeer-Kräutern entscheiden, was den abnormen Winter überstanden hat. Von den Rosmarinen haben nur die Sorten 'Weihenstephan' und mit einigen Trieben 'Hill Hardy' durchgehalten, alle anderen hat es hingerafft.
Es war zu erwarten, dass unter den Oregano-Arten der Winterfeste Majoran (Origanum x majoricum), obwohl auch er vom Vlies abgedeckt war, nicht überleben würde. Die schöne O. laevigatum-Hybride 'Aromatico', auch Schweizer Oregano genannt, treibt dagegen wieder aus. All die Jahre über konnte ich mich auf den Griechischen Oregano (O. heracleoticum) verlassen, dieses Mal hat der Winter einigen kräftigen Stauden den Garaus gemacht.
Über den Befund bei den Thymianen muss ich eine gesonderte Gartennotiz schreiben, es ist von überraschenden Erfahrungen zu berichten. Dass einige frei stehende Heiligenkäuter, so Santolina chamaecyparissus vor allem in der kompakten Sorte, bös gelitten haben, verwundert nicht. Und erst jetzt überzeugen mich die im letzten Jahr so schön ausgebreiteten Kriechenden Bergbohnenkräuter (Satureja spicigera), dass sie doch noch aus dem Stock einen neuen Anfang machen wollen. Dagegen stehen die wunderbar kompakten, kleinen Büsche der Sorte 'Aromakugel' (S. montana) längst mit dichtem, duftendem Laub.
Betrüblich ist zunächst der Blick auf die vielen Salbei-Arten und -Sorten – vertrocknetes Laub und dürre Zweige allenthalben. Die Zwergsalbei-Varianten (Salvia officinalis 'Nana') sind definitiv tot, und auch die eigentlich ziemlich stabilen Sorten Purpur-Salbei (Salvia off. 'Purpurascens') und Gold-Salbei (Salvia off. 'Icterina') scheint es erwischt zu haben. Verblüffend dagegen, dass direkt neben dem schönen, dreifarbig gescheckten S. off. 'Tricolor', der nur ein paar kümmerliche Blättlein nachtreibt, die weiß gerandete Sorte 'Rotmühle' völlig unbeschadet mit kräftigem, dichtem Laub versöhnt.
Ziemlich gut gehalten haben sich auch der Lavendelblättrige Salbei (Salvia lavandulifolia) und sein enger Verwandter, der Nevada-Salbei (S. lavandulifolia 'Sierra Nevada'), die wegen ihres geringen Gehalts an Thujon als die besten Tee-Salbeis gelten. Starken Rückschnitt brauchen auch sie, aber diese zierlichen Arten sind erstaunlich robust.
Der gewöhnliche Garten-Salbei müht sich mit ein paar frischen Trieben noch sehr, selbst bei der kräftigen, starkwüchsigen Sorte 'Dalmatinischer Salbei'. Es wird noch mindestens vier Wochen dauern, bis die Pflanzen wieder halbwegs ansehnlich geworden sind.
Vergessen sollte man aber bei den Salbei-Arten unsere einheimischen Staudensalbei nicht. Von den herrlich dunkelblauen bis violetten Blüten des Wiesensalbei (Salvia pratensis), dessen große, grundständige Blattbüschel jetzt wieder durchtreiben, kann man immerhin einen Sirup kochen. Und der hohe, großblättrige Gelbe Salbei (Salvia glutinosa), der in lichten Wäldern Süddeutschlands vorkommt, zeigt von Juli bis in den September lange Stängel mit großen, hellgelben Lippenblüten, die man an Salate oder Süßspeisen geben kann. Die Staude ist sehr wüchsig und absolut winterfest, treibt früh aus und bildet einen Blickfang fürs Halbschattenbeet. Dieser Salbei gehört zu den vielen verkannten Schönheiten im Kräuterreich – und um ihn muss man auch bei schärfstem Frost nicht bangen.
Text: Ludwig Fischer
Fotos: Gerlinde Sachs, Staudengärtnerei Gaißmayer