Winternachlese, die Erste
Text: Ludwig Fischer
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer
Eben weht draußen der Nordwest-Sturm einen Schneeschauer über den Garten – nachdem ich vorgestern noch bis in die Abendstunden im T-shirt draußen gearbeitet habe! Fast zwei Wochen lang hatten wir schon beinahe frühsommerliche Temperaturen, bis nahe an zwanzig Grad. Da dachte ich, allmählich könne ich eine erste Bilanz des abnormen Winter ziehen, aber ich muss wohl vorsichtig sein, es sind Frostnächte angekündigt.
Der Winter des Vorjahrs hatte ja lange Frostperioden gebracht, aber auch sehr viel Schnee. Und schon im Dezember war es kalt geworden, so dass die Pflanzen sich auf die harten Wochen danach einstellen konnten. Anders im jetzt zu Ende gegangenen Winter: Dezember und Januar fielen extrem warm aus, so dass nicht nur für die Frühjahrs-Zwiebelgewächse, sondern auch für viele Stauden das beginnende Frühjahr vorgetäuscht wurde. Umso schlimmer traf es dann die Gartenpflanzen im Februar, drei Wochen lang Kahlfrost, bis minus zwanzig Grad.
Überall höre ich von den Gärtnern und Gartenfreunden Klagen über die hohen Verluste. Zwar wird sich erst im April endgültig herausstellen, welche Schönheiten nicht überlebt haben, aber schon jetzt zeichnet sich ab, dass Winterschäden eingetreten sind, wie ich sie noch nie erlebt habe.
Krokusse, Narzissen, Wildtulpen haben spärlich ausgetrieben und noch spärlicher geblüht. Die Traubenhyazinthen (Muscari azureum), die schon im Dezember grüne Blätter zeigten, blühen überhaupt nicht. Dagegen haben die Madonnenlilien (Lilium candidium) jetzt alle kräftiges Blattgrün – und werden es hoffentlich behalten.
Erstaunlich ist, dass auch einheimische Wildstauden schwer gelitten haben. So ist wohl das großflächig ausgebreitete Köhlerkraut (Veronica officinalis), eine hübsche, blau blühende Heilpflanze, nahezu komplett erfroren, während verschiedene Stauden-Ehrenpreisarten neu durchtreiben, so die attraktive, silberlaubige Veronica incana 'Silberteppich' und der Kerzen-Ehrenpreis (V. spicata 'Blaufuchs').
Leider scheint die reizvolle Beeteinfassung aus Zwerg-Johanniskraut (Hypericum polyphyllum 'Grandiflorum'), das im Sommer lange Zeit große, strahlend gelbe Blüten zeigt, die letzten Wochen nicht überstanden zu haben, während die filzigen Triebe der Teppich-Schafgarbe nebenan (Achillea tomentosa 'Aurea'), die ich schon abschreiben wollte, mich mit winzigen, neuen Blättern überraschen.
Völlig abgestorben sind große Duftrasen-Partien. Von der etwas empfindlichen Kriechenden Poleiminze (Mentha pulegium 'Repens') war das zu erwarten, aber auch die Rasenkamille (Chamaemelum nobile 'Plena', gefüllt blühend, und die nicht blühende 'Treneague') weist nur noch totes Material auf. Immerhin hat die Wildform ('Römische Kamille', Chamaemelum nobile) überlebt und scheint sich zu berappeln, und im Schattenbeet begrüße ich jeden Tag das unermüdliche, großblütige Siebenbürgener Leberblümchen (Hepatica transsylvatica).
Die intensiv duftenden Teppich-Thymiane (Zitronen-Kümmel-Thymian, Thymus herba-barona var. citriodora, und Kriechender Orangenthymian, Thymus vulgaris 'Orange Spice') haben es ebenfalls überstanden und bilden neue Triebe.
Über die mehr als herben Verluste im mediterranen Gartenteil werde ich demnächst schreiben. Inzwischen freue ich mich an einem der spektakulärsten Blattaustriebe: Im 'Hexenwinkel' hat der sehr giftige Schwarze Germer (Veratrum nigrum) schon seine raffiniert gefältelten, großen Blätter weit ausgebreitet. Im Spätsommer wird er fast schwarze Blütenrispen erheben und im Herbst eine Fülle von eigenwilligen Früchten tragen.
Text: Ludwig Fischer
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer