Vom Schicksal erfundener Namen

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Pflanzennamen im Volksmund sind Wiedergaben von Gefühltem, Gerochenem, Gesehenem, stehen oft in Verbindung mit Heiligen oder frommen Feiertagen, sind gelegentlich eine Klang- Nach- oder Umbildung uralter lateinischer oder griechischer Namen.

Diesen Namen stehen Kunstnamen gegenüber, erfundene Namen, die, man könnte sagen, am Schreibtisch von Carl von Linné und Zeitgenossen entstanden sind. Denn im 18. Jahrhundert kamen eine Fülle bislang unbekannter Pflanzen ohne Namen aus Asien und Amerika nach Europa. Linné (1707 – 1778), der die binäre Nomenklatur zur wissenschaftlichen Benennung von Pflanzen und Tieren entwickelt hatte und 1735 sein grundlegendes Werk Systema Naturae herausbrachte, stand vor dem Problem, fremden Pflanzen einen wissenschaftlichen Namen nach seinem System zu geben. Er und viele andere Botaniker wussten Rat. Auf der Suche nach geeigneten Gattungsnamen wurde es fast zur Mode, berühmten Gärtnern, Ärzten, Botanikern Denkmäler zu setzen.

 

Linnéische Denkmäler (L.)

Rudbeckia L.
Olaus Rudbeck (1630 – 1702)
war ein schwedischer Gelehrter, Arzt und Botaniker - und übrigens auch berühmter Dichter.

Tradescantia L.
Der Engländer John d. Ä. Tradescant (1570 – 1638), war Gärtner, Naturforscher und Hofgärtner von König Charles I.

Fuchsia L.
Leonhart Fuchs (1501 – 1566)
war Arzt und Botaniker. Er verfasste eine erste systematische Zusammenstellung der Pflanzen und das populäre New Kreuterbuch.

Camellia L.
Georg Joseph Camellus (1661 – 1706)
war Jesuit, Botaniker und Zoologe. Von einer Forschungsreise zu den Philippinen brachte er eine Camellie nach Europa.

Zinnia L.
Johann Gottfried Zinn (1727 – 1759)
war Botaniker und Anatom, Spezialist für das menschliche Auge und Direktor des Botanischen Gartens in Göttingen.

Neben und nach Linné wurden zahlreiche »neue« Pflanzen mit Namen von Persönlichkeiten bedacht. Erinnert sei an Forsythia, Perowskia, Weigela, Lavatera, Strelitzia, Waldsteinia, Lonicera, Escholtzia. Hinter jedem dieser Namen stecken Persönlichkeiten aus dem einst sehr einheitlichen Berufsfeld Arzt/Apotheker/Botaniker. Eschscholtz hieß der Freund und Weggefährte Adalbert Chamissos, der ihn bei seinen Weltreisen begleitete. Chamisso benannte den Goldmohn Kaliforniens nach ihm.

Sind diese Kunstnamen nach gut 250 Jahren im Volksmund angekommen? Wurden sie außerhalb eingeweihter Kreise benutzt oder abgewandelt? Mit ziemlicher Sicherheit kann man sagen, dass die Fuchsie, die Kamelie und die Zinnie sprachliches Allgemeingut geworden sind. Ganz so sicher ist das bei Rudbeckie, Forsythie und Tradescantie nicht, obwohl die Endungen auf ie ein erster Schritt ins Deutschsprachige sind. So wurde aus der Weigela immerhin die Weigelie, aus der Forsytia die Forsythie.

Was ist mit der Georgine geschehen?

Als der Berliner Botaniker Carl Ludwig Willdenow einen auffällig schönen Korbblütler aus Mexiko betrachtete und bewunderte, musste er nicht lange nach einem für die Pflanze geeigneten Namen suchen. Es war im Jahre 1803. Ein Jahr zuvor war ein Mann gestorben, der sich durch die Übersetzung der Schriften Linnés hervorgetan hatte. Johann Gottlieb Georgi hieß er, war Forschungsreisender im großen russischen Reich. Willdenow ehrte ihn mit der »Georgina«, ein Name, der lange Zeit als Georgine gebräuchlich war.

Bis zu Willdenow war aber nicht vorgedrungen, was sich in Madrid zwölf Jahre zuvor zugetragen hatte. Die Kolonialmacht Spanien hatte einen schnelleren Zugang zur mexikanischen Flora. Als Antonio Jose Cavanilles, Direktor des Botanischen Gartens in Madrid, 1791 die Pflanze in Händen hielt und bewunderte, da wusste er, sie muss Dahlia heißen, Dahlia nach dem schwedischen Botaniker Andreas Dahl (1751 – 1789), der bei Linné in Uppsala Botanik studiert hatte.

Nun gilt in der botanischen Nomenklatur, wer zuerst beschreibt, dessen Name ist der richtige und bleibt. Willdenow hat die »Dahlie« mit der Gelassenheit eines Wissenschaftlers zur Kenntnis genommen und respektiert.

Aufgenommen vom Volksmund
Selten wurden botanische Gattungsnamen so problemlos übernommen wie bei der Dahlie, aber auch der Georgine. Ja nicht nur die Original-Namen benutzt und benutzte man, auch viele, oft sehr komische Abwandlungen entstanden, was sonst vor allem bei alten Namen üblich war. So wurde aus der Georgina in Thüringen Gorchina, am Main Jörchina, in Viersen (NRW) Reginebloom und auf der Rhön Kurgine. Auch die Dahlia wurde sprachlich in die Mangel genommen. In Waldshut/Baden nannte man sie einfach Dalle, Talier in Koblenz, Adalia in der Pfalz. Von Interesse wäre, ob diese Namen noch irgendwo gebräuchlich sind.



Christian Seiffert
aus Jamlitz und Eresing Seit 2001 experimentiert Christian Seiffert parallel in zwei geographisch weit auseinanderliegenden Gärten: in Oberbayern und in der Niederlausitz, im Land Brandenburg.
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Text und Fotos: Christian Seiffert