Virginia Woolf im Garten von Monk’s House
Text: Editha Weber
Foto 1: Quelle: Wikimedia Commons: Die zwanzigjährige Virginia Woolf, fotografiert von George Charles Beresford
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Woolf_by_Beresford_2.jpg
Foto 2: Quelle: Wikimedia Commons: Virginia Woolf - Mrs. Dalloway
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/17/Dalloway_-_Virginia_Woolf_-_traducció_catalana_1930.jpg
Foto 3: Quelle: Wikimedia Commons: Monk's house
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Foto 4: Quelle: Wikimedia Commons: Büste von de:Leonard Sidney Woolf (* 25. November 1880 in London; † 14. August 1969 in Rodmell, Sussex), Verleger, am besten bekannt als Ehemann der Schriftstellerin Virginia Woolf. Aufgestellt bei ihrem Haus »Monks House«
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»Mrs. Dalloway sagte, sie werde die Blumen selbst kaufen.«
Mit diesem Satz beginnt Virginia Woolfs (1886-1941) Roman »Mrs. Dalloway« aus dem Jahre 1925. Als die Heldin des Romans, Clarissa Dalloway, das Blumengeschäft betritt, erfährt man lesend die sinnliche Wahrnehmung von Farben und Düften: »Da waren Blumen: Rittersporn, spanische Wicken, Fliedersträuße; und Nelken, Berge von Nelken. Da waren Rosen, da waren Schwertlilien.« Was Virginia Woolf an prächtiger Schönheit heraufbeschwört, zeugt von ihrer lebenslangen Liebe und aufmerksamen Wahrnehmung gegenüber Blumen und Bäumen, dem Wandel in der Natur, der Erinnerungen birgt, die ein Leben prägen können.
Als die britische Schriftstellerin über Mrs. Dalloway nachdachte und diese Zeilen verfasste, schrieb und gärtnerte sie bereits seit einigen Jahren im Garten von Monk's House. Das schmale, langgestreckte Haus liegt am Rande des Dorfes Rodmell in East Sussex. 1919 ersteigerte das Ehepaar Virginia und Leonard Woolf (1880-1969) das Anwesen für siebenhundert Pfund auf einer Auktion. Die Woolfs wollten in diesem Haus Ruhe vom hektischen Leben in London finden und es als sommerlichen Landsitz und an den Wochenenden nutzen, um zu schreiben, zu lesen und gemeinsam im Garten zu arbeiten sowie Freunde hier zu empfangen. Oft besuchten sie Freunde aus der Bloomsbury Group, darunter auch Vanessa Bell, die Schwester Virginia Woolfs, die in einer sehr unkonventionellen Familien- und Lebensgemeinschaft im nahen Charleston Farmhouse lebte und malte.
Monk's House, erstmals urkundlich im 18. Jahrhundert erwähnt, stammt aus dem 16. Jahrhundert, einst bewohnt von Zimmermännern und Müllern samt ihren Familien. Als die Woolfs das Haus kauften, waren sie sich bewusst, dass viele Menschen einst hier gelebt, geliebt, gelitten hatten. Seit 1980 ist es im Besitz des National Trust, der das Haus voller Schätze aus der Zeit der Bloomsbury Künstler bewahrt. Diese Atmosphäre spiegelt das Leben seiner Besitzer und ihrer Gäste. Ganz in dem Geiste, wie es Leonard Woolf einst beschrieb: ».. die stärkste und anhaltendste Wirkung auf einen selbst und die eigene Lebensart ist das Haus, in dem man lebt. Es bestimmt täglich, stündlich, minütlich Qualität, Färbung, Atmosphäre, Tempo des Lebens; es ist der Rahmen für alles, was man tut, was man tun kann, und für alle Beziehungen zu anderen Menschen.«
Als die Woolfs einzogen, war der Garten hinter dem Haus recht verwildert. Aber schon in der ersten Begegnung zeigte sich Virginia Woolf von den Blumen, sich auf den Astspitzen drängenden Pflaumen, Erbsen, Artischocken, Kartoffeln und Himbeersträuchern beeindruckt und konnte sich ausmalen, wie sie unter den Apfelbäumen spazieren würde, »mit dem grauen Löschhut vom Kirchturm als Grenzstein.« Stück für Stück verwandelten beide das überwucherte Grundstück in ein fantastisches Refugium mit Sitzplätzen auf Mühlsteinen, einer Schreibklause für Virginia Woolf, Bienenstöcken, Gemüsebeeten, Obstbäumen und Gänseblümchen auf den Wegen.
Wie im Falle von Sissinghurst, dem Garten von Vita Sackville-West und Harold Nicholson, war auch die Gestaltung dieses Gartens ein Gemeinschaftswerk, wenn auch bei Weitem nicht so groß in seinen Ausmaßen und so streng in seiner formalen Gestalt. Doch der Garten von Monk's House war für die Woolfs eine ebenso große Quelle der Freude und Inspiration wie für die Nicholsons in Kent. Den gärtnerischen Ehrgeiz Leonard Woolfs kommentierte Vita Sackville-West jedoch knapp: »Man kann Versailles nicht auf 1.000 Quadratmetern in Sussex nachbauen, es geht einfach nicht.«
Zunächst war Virginia Woolf jedoch skeptisch, denn das Haus bot wenig Komfort, die Zimmer waren klein, die Decken niedrig, es gab weder Badezimmer noch heißes Wasser und der Zustand der Küche war schlecht. Aber der Garten! Der Garten stellte mit einer Größe von rund dreitausend Quadratmetern sicher eine Herausforderung dar. Was durchaus reizvoll und anregend war, so genoss die Schriftstellerin bald das Gefühl einer »tiefen Freude an der Größe und Form und Fruchtbarkeit und Wildheit des Gartens«.
Leonard Woolf entwickelte sich mit der Zeit zu einem passionierten Gärtner und konzentrierte sich auf den Anbau von Gemüse und die sorgfältige Pflege des Obstgartens, der ebenso reichlich Früchte lieferte. Was die Woolfs nicht selbst verzehrten, verschenkten und verkauften sie. Auf zahlreichen Fotografien ist Leonard Woolf bei gärtnerischen Tätigkeiten zu sehen, etwa dem regelmäßigen Schnitt der Apfelbäume oder der Arbeit in den Beeten. Aber auch Virginia Woolf arbeitete tatkräftig im Garten mit, wenn auch nicht in dem Umfang wie etwa ihre Freundin Vita Sackville-West in ihren Gärten in Long Barn und später in Sissinghurst. In Virginia Woolfs Tagebuch ist im Mai 1920 davon zu lesen, dass sie den ganzen Tag Unkraut gejätet und Beete fertig gemacht hat. »Beide sind wir heute steif & überall zerkratzt; mit schokoladenbrauner Erde unter den Nägeln.« Sie schreibt zudem, dass sie diese Arbeit zu »einer eigentümlichen Art von Begeisterung« inspiriert hätte, die sie »dazu brachte zu sagen, das ist Glück«.
Das Arbeiten im Garten erweiterte ihre Wahrnehmung der Natur, die sie von früher Kindheit an berührt hatte. Blumen und Gärten, Parks und Bäume beobachtete Virginia Woolf mit Neugier und Faszination. Schreibend verarbeitete sie Beobachtungen der Natur zum Ausdruck von Gefühlen, die Erinnerungen transportieren und Bewusstseinszustände charakterisieren können. Für ihr literarisches Werk hat dies eine große Bedeutung, was die Lektüre beispielsweise von Büchern wie »Mrs. Dalloway«, »Die Fahrt zum Leuchtturm« oder »Orlando« dokumentieren. Schon als Londoner Spaziergängerin erlebte sie das Grün der Parks und Squares in starkem Kontrast zum Grau der Häuser und Straßen. Lebenslang verband sie viele schöne, aber auch viele schmerzhafte Erinnerungen mit Pflanzen im jahreszeitlichen Wandel, der Assoziationen hervorrufen konnte. »Bei weitem der schönste Teil Londons [...] ist Kensington. Man war in zehn Minuten in den Gardens – es war wie mitten auf dem Lande«, schreibt sie rückblickend auf die Zeit der Kindheit und Jugend. Der Düsternis der bürgerlichen Enge und Normierung stand der Garten gegenüber, der Licht und Farbe und Freiheit zum Denken und Bewegen bot. Zur Kindheit gehörte ebenso die Erfahrung des Feriendomizils in St. Ives im fernen Cornwall, das zum Paradies der Kindheit wurde. Felsen und Meer, Wind und Wogen vermittelten Naturstimmungen, die Virginia Woolf in Literatur übersetzen konnte.
Der Garten von Monk's House war für die kreative und aufmerksame Beobachterin insbesondere ein Schreibort. Fast täglich führte sie ihr Weg vom Haus zur ihrer »Lodge« in den Obstgarten. Unter einer großen Rosskastanie stand ihre »Schreibhütte«, einst ein alter Werkzeugschuppen, der durch den Umbau und später seine Versetzung an diesen Platz, Stille und Einsamkeit zum Denken gewährte. In lauen Sommernächten übernachtete die Schriftstellerin manchmal dort. Fast alle ihre Romane entstanden hier. Einen Tag vor ihrem Suizid im März 1941 verfasste sie auch die Abschiedsbriefe an ihren Mann und ihre Schwester Vanessa Bell in ihrem Refugium.
Auch wenn Leonard Woolf den größten Teil der Gartenarbeit bewältigte, war der friedvolle Garten für seine von quälenden Gedanken und Erkrankungen verfolgte Partnerin Balsam für die Seele. Nach Virginia Woolfs Selbstmord 1941 blieb Leonard Woolf bis zu seinem Tode 1969 in Monk's House und war bis ins hohe Alter ein begeisterter Gärtner. Die Urne von Virginia Woolf wurde unter einer Ulme im Garten beigesetzt. Auch die Urne von Leonard Woolf fand unter einer Ulme ihren Platz.
Text: Editha Weber
Foto 1: Quelle: Wikimedia Commons: Die zwanzigjährige Virginia Woolf, fotografiert von George Charles Beresford
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Foto 2: Quelle: Wikimedia Commons: Virginia Woolf - Mrs. Dalloway
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/17/Dalloway_-_Virginia_Woolf_-_traducció_catalana_1930.jpg
Foto 3: Quelle: Wikimedia Commons: Monk's house
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Foto 4: Quelle: Wikimedia Commons: Büste von de:Leonard Sidney Woolf (* 25. November 1880 in London; † 14. August 1969 in Rodmell, Sussex), Verleger, am besten bekannt als Ehemann der Schriftstellerin Virginia Woolf. Aufgestellt bei ihrem Haus »Monks House«
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