Unverwüstliche Kleine Sterntulpe
Ein Beitrag von Wolfram FrankeVor fast 40 Jahren hatte ich noch keinen Garten, stattdessen aber einen elf Meter langen und zwei Meter breiten Balkon. Der ersetzte ein paar Jahre lang einen eigenen Garten. Statt der meist obligatorischen Pelargonien wuchs in unseren Balkonkästen eine bunte Mischung aus Tagetes, Ringelblumen, Männertreu, Petunien, Mignon-Dahlien und manche anderen Blumen, die man normalerweise nicht in Balkonkästen pflanzt. In der Mitte schlangen sich an Kokosseilen, die ich am Balkongeländer der über uns liegenden Wohnung befestigt hatte, Kletterpflanzen empor, jedes Jahr eine andere Art: Prunkbohnen, Kalebassen, Japanischer Hopfen, Kaiserwinde und Schwarzäugige Susanne.
Blumenzwiebeln im Balkonkasten
Im Herbst tauschte ich dann die abgeblühten Pflanzen gegen Blumenzwiebeln aus. Dazu kleidete ich die Kästen an den Wänden mit dünnen Styroporplatten aus, um den Frost etwas abzumildern und breitete drei Zentimeter hoch Blähton als Dränage auf den Kastenböden aus, den ich dann mit ebenfalls mit einer dünnen Styroporplatte abdeckte. Als Substrat füllte ich eine Mischung aus dreijährigem Kompost, Torf (den ich heute nicht mehr verwende!) und Sand in die Kästen. Die Blumenzwiebeln, die ich anschließend dort steckte, waren eine ebenso unkonventionell kunterbunte Mischung wie zuvor meine Sommerblumen.
Eine böse Überraschung
Einige Jahre lang konnten wir uns an einem wundervollen Frühlingsflor erfreuen. Doch in einem Frühjahr regnete es sehr stark und anschließend folgte ein starker Frost, der die nasse Erde in den Kästen durchfrieren ließ. Als es dann wärmer wurde, regnete es erneut. Wasser von dem über uns liegenden Balkon troff in die Kästen und staute sich, da die Erde darin noch nicht ganz aufgetaut war. Die Frühlingsblüte in diesem Jahr fiel fast komplett aus. Alle Zwiebeln waren verfault. Bis auf die einer Art: die Kleine Sterntulpe (Tulipa tarda) öffnete ihre Blütensterne unverdrossen, als wäre nichts geschehen.
Klein und unverwüstlich
Seit dieser Erfahrung weiß ich, dass diese kleine Wildtulpe die robusteste und dankbarste Tulpenart ist, die ich kenne. Sie blüht offensichtlich auch unter ungünstigen Bedingungen zuverlässig auf. Die einzige Voraussetzung ist ein durchlässiger, nicht allzu nährstoffreicher Boden und ein vollsonniger Standort. Von April bis Mai trägt die Kleine Sterntulpe drei bis acht gelb-weiße sternförmige Blüten an einem Stängel. Geschlossen sind die Blüten von außen bräunlich-purpurfarben überlaufen. Bei Sonne öffnen sich die duftenden sternförmigen weißen Blüten mit ihrer strahlend gelben Mitte.
Während ich bei den großblütigen Tulpen alle welkenden Blüten sofort abbreche, damit sie ihre Kräfte nicht unnötig in die Bildung von Samen verschwenden, lasse ich es zu, dass die Zwerg-Stern-Tulpen nach der Blüte hübsche braune Kapselfrüchte ansetzen. Diese Früchte vertrocknen im Frühsommer mit dem Laub. An zusagenden Plätzen gehen die Samen auf und wachsen – im Lauf der nächsten Jahre – zu neuen Exemplaren heran.
Natürlich vermehrt sich auch diese Tulpe durch Teilung ihrer Zwiebeln. Man kann der Vermehrung nachhelfen, indem man die Zwiebeln ausgräbt, teilt und die kräftigsten Tochterzwiebeln wieder neu pflanzt.
Doch bei mir sind schon einige dieser Sterntulpen aus Samen herangewachsen und zum Blühen gekommen. In meinem Hausgarten bilden die zierlichen blauen Blüten der Breitblättrigen Traubenhyazinthe (Muscari latifolium) dazu einen reizvollen Kontrast.
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Text und Fotos: Wolfram Franke