Tulpenblüte – wenn schon die Rosen blühen
Ein Beitrag von Wolfram FrankeDiese flammend rote Wildtulpe fand ich auf einer Englandreise. Sie gefiel mir auf Anhieb. Man findet sie in vielen englischen Gärten, auf jeden Fall aber in den einschlägig bekannten öffentlichen Gärten wie Kew, Wisley und Sissinghurst. Sie wächst in Gemeinschaft mit Stauden in langen Borders, wo sie sich vor dem Hintergrund streng geschnittener, dunkelgrüner Eibenhecken besonders markant abhebt. Aber auch in verwilderten Rabatten oder auf Blumenwiesen am Rand großer Gärten fallen ihre leuchtend roten Blüten ins Auge. Mag sein, dass ich diese langstielige Tulpe mit den lilienähnlichen, roten Blüten zum ersten Mal in Great Dixter gesehen habe, meinem Lieblingsgarten in England.
Knallrote Tulpe
Dort lebte der berühmte Gartendesigner und Gartenschriftsteller Christopher Lloyd. Er war bekannt für seine gewagten Farbkombinationen bei der Gestaltung von Borders, den Staudenrabatten in englischen Gärten. Da passte diese knallrote Wildtulpe mit dem botanischen Namen Tulipa sprengeri genau hinein. »Sprengers Tulpe«, wie sie auf Deutsch genannt wird, blühte dort in dem von Scheunen und Mauern umgebenen Senkgarten. Ihre langen Stiele hatte sie durch die üppige Blattrosette einer Großblütigen Königskerze (Verbascum densiflorum) geschickt, deren Blütezeit erst ein bis zwei Wochen später beginnt.
Schwierige Aussaat
Das Ungewöhnliche an dieser Tulpe ist ihre späte Blütezeit. Sie beginnt Ende Mai, gleichzeitig mit den ersten Rosen, und hält bis in die ersten Juniwochen hinein an. Tulipa sprengeri stammt aus der türkischen Provinz Amasya, doch dort scheint sie ausgestorben zu sein. Umso häufiger findet man sie in englischen Gärten.
Auf der Chelsea Flower Show in London fand ich einen Gärtner, der Samen dieser Wildtulpe anbot. Als ich eine Samentüte kaufen wollte, machte er mich darauf aufmerksam, dass es sehr lange dauert, bis die Samen aufgehen und schließlich blühende Pflanzen daraus werden. Das war mir klar, doch ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, wo ich Zwiebeln dieser Tulpe hätte bekommen können. Ich wollte sie mir einfach nicht entgehen lassen. Deshalb antwortete ich: »I'ill try it«. Der Gärtner lachte: »You are a real gardener!«.
Doch meine Tulpensaat ging nicht auf. Tulpensamen sind Kaltkeimer. Sie müssen eine Zeitlang tiefen Temperaturen ausgesetzt sein, und sie sind Lichtkeimer. Beides hatte ich berücksichtigt, indem ich die Saatschale vorübergehend dem Frost aussetzte und anschließend ins Haus holte, doch irgendetwas musste ich nicht sorgfältig genug gehandhabt haben. Zum Glück konnte ich ein Jahr später im Gartencenter von Wisley, des botanischen Gartens der »Royal Horticultural Society« (Königliche Gartenbaugesellschaft von Großbritannien) einen Topf mit zwei blühenden »Sprengers-Tulpen« erwerben. Die pflanzte ich in unserem Hausgarten aus, wo sie seither ab Ende Mai an einem sonnigen Platz von Ende Mai bis fast Mitte Juni blühen.
A real gardener
Wie andere Wildtulpen sollen auch diese sich selbst aussäen, aber ebenso wie jede andere Tulpe Tochterzwiebeln in der Erde bilden. Das bringt mich immer ein wenig in Konflikt, denn ich bin nicht sicher, ob die Samen der Sprengers Tulpe an unserem Gartenstandort auch wirklich aufgehen und die Sämlinge heranwachsen würden. Breche ich die Samenstände gleich nach der Blüte ab, stärkt das immerhin die Zwiebeln. Vielleicht breche ich das nächste Mal die welke Blüte bei der einen Tulpe ab und lasse die andere Samen bilden. Den würde ich dann wieder ganz gezielt aussäen.
Inzwischen kann man im Internet diverse Bezugsquellen für die Zwiebeln der Tulipa sprengeri finden. Sie sind teurer als andere Tulpenzwiebeln, doch das würde mich nicht daran hindern, sie zu bestellen. Viel lieber aber würde ich sie aus Samen groß kriegen. So bin ich wohl tatsächlich »a real gardener«.
Text und Fotos: Wolfram Franke