Was ist noch Licht... und was schon Schatten?
Ein Beitrag von Andreas BarlageFür diese Frage gibt es reichlich Antworten – philosophische, poetische und handfeste. Für Gärtnernde ist die Einschätzung der Lichtverhältnisse extrem wichtig, denn nach dem Standort richtet sich die Pflanzenauswahl. Na, und wenn er umzieht (wie ich wieder einmal) schaut sich der gewiefte Gartenmensch einmal um, wo die Sonne hinkommt und wo nicht.
Die Sonnenterrasse, die ich in Karlsruhe an der Wohnung hatte, war da eindeutig: Es gab kein Entrinnen vor Wind, maximalen Luxgraden und Gluthitze. Beim Einzug im Winter im neuen Domizil war ich entzückt, dass die geräumige Balkon-Terrasse im ersten Stock windgeschützt und überdacht ist und die größte Fläche des Winkels gen Süden, die wesentlich kleinere, schmalere gen Westen ausgerichtet war. Sogleich stellte ich meine geliebten Rosen, Sonnenstauden und Klematis auf, die mit umgezogen waren und besorgte mir noch eine Kamelie dazu. Alles lief prima... bis mich ab dem April des ersten Jahres ein mulmiges Gefühl beschlich: die besonnten Zonen wurden immer schmaler. Nun ja, die Rosen haben super ausgetrieben und steckten voller Knospen – und auch die Lilien, Klematis, Gaura, Glockenblumen, Nelken oder Katzenminzen entwickelten sich prima.
Aber wie ging es weiter?
Ich hatte die Gärtnerrechnung ohne den wechselnden Sonnenstand gemacht. Die niedrig stehende Sonne, etwa bis zur Tag- und Nachtgleiche, reichte mindestens bis zur Hälfte der Terrasse – im Winter beschien sie hingegen alles. Doch ab Mitte Mai war der Pöttchengarten an der Südseite komplett beschattet. Jede Pflanze wuchs dem Licht entgegen und ich hatte wöchentlich zu tun, die Kübel zu drehen, damit nichts kippte; die Lilien, Klematis und kletternden Rosen wurden an Stäben und Rankgerüsten festgebunden und zeigten einen sehr schönen Flor im Juni und Juli. Aber dann schliefen die Rosen und Nelken ein und bildeten fast nur Laub, die Sonnenstauden wuchsen anämisch, sprich lang, weich und dünn.
Erst ab etwa September hatten wir wieder Sonne – was zu spät war für all die sonnenhungrigen Pflanzen.
Die Folge war, dass sich viele Freunde im Herbst über Rosen und Stauden für ihre sonnigen Beete gefreut haben, denn ich verschenkte fast alle diese Pflanze inklusive Lilien und habe meine Kübelbepflanzung komplett umgestellt. Nur eine einzige Rose, die kleine 'Sternenflor', wächst nun noch in einem geräumigen Kasten auf einem Mauersturz, der tatsächlich Sonne abbekommt – und sie macht sich bestens! Die extra für den Schatten besorgten Fuchsien, Farne und Hosta gaben allerdings ein gemischtes Bild ab. Kaum eine von ihnen war im Vollschatten des Sommers glücklich. Aber es zeigten sich deutliche Sortenunterschiede. Erfreulicherweise hielt sich Hosta plantaginea 'So Sweet' prima, wenn sie auch nicht blühte – das hat sie aber im Folgejahr erfreulicherweise nachgeholt und wird immer schöner.
Doch es gibt auch aus dem ersten Jahr sehr erfreulich Überraschendes zu berichten: Die Clematis viticella entpuppten sich als sehr verlässliche Blüher, auch bei diesen schwierigen Lichtverhältnissen. 2023 pflanzte ich zu den Heldensorten 'Durandii' und 'Madame Julia Correvon' noch weitere als Ersatz für die ausgefallenen Rambler-Rosen. Und richtig toll war die Polsterglockenblume Campanula poscharskyana 'Silberregen' – die blühte in drei (!) Schüben, egal wie hell oder dunkel es war. Und durch hübsches Laub und immer wieder ein paar Blüten machte auch Corydalis ochroleuca, der Blassgelbe Lerchensporn immer wieder auf sich aufmerksam und wächst wunderbar. Jetzt weiß ich, wo ich weiterdenken kann...
Ach, übrigens: Im Herbst habe ich Hekatomben neue Blumenzwiebeln für die Frühlingssaison gesetzt; die meisten davon waren Tulpen – mehr davon in Bälde.
Text und Fotos: Andreas Barlage