Feind der Schnecken und Kaisers Liebling
Text: Antje Peters-Reimann
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer
Rein blaue Blüten gibt es im Reich der Blumen relativ selten, und so haben Pflanzen mit blauen Blüten in der Pflanzensymbolik eine besondere Bedeutung. Der Zentaur Chiron, den die vielköpfige Hydra im Kampf mit ihrem Gift verwundet hatte, bedeckte dem Mythos zufolge seine eigentlich unheilbare Wunde mit der Blüte einer Kornblume - und genas. Von diesem Zentauren und wegen ihrer blauen Farbe hat die Pflanze auch ihren botanischen Namen Centaurea cyanus erhalten. Da die Hydra als Riesenschnecke galt, sah man fortan die Kornblume als Feind der Schnecken an. In der christlichen Symbolik wiederum stehen Schnecken als Sinnbild für den Teufel und so sind auf vielen Bildern des Mittelalters, auf denen die Macht des Teufels bekämpft werden soll, Schnecken und Kornblumenblüten gemeinsam zu sehen.
Bei den Bauern früherer Tage waren Kornblumen auf den Getreidefeldern äußerst unbeliebt, schließlich minderten sie, wenn sie sich stark verbreiteten, den ohnehin oft schmalen Ernteertrag. Die Landbevölkerung hielt die Kornblumen für die böse Saat von Korndämonen und bekämpfte sie daher mit allen Mitteln. Doch die Schönheit der grazilen Blüten ließ die Kornblumen bald als Zierpflanzen in den Gärten heimisch werden, so dass sich auch ein Wandel ihrer symbolischen Bedeutung vollzog. Man verstand sie nunmehr als Zeichen für Treue, Beständigkeit und das Himmlische, und ihre Blüten waren als Bestandteil von Blumenkränzen sehr beliebt.
Immer wieder hört man, dass die Kornblume die Nationalblume der Deutschen sei. Und in der Tat gab es in unseren Landen im 19. Jahrhundert einen regelrechten „Kornblumenkult“. Diesen verdanken wir der damals geradezu mythisch verehrten, jung verstorbenen preußischen Königin Luise. Sie verbrachte mit ihrem Mann und ihren Kindern viele herrliche Sommer im brandenburgischen Landschlösschen Paretz. Wohl zur Erinnerung an diese Zeit erwählte einer ihrer Söhne, der spätere Kaiser Wilhelm I., die Kornblume zu seiner Lieblingsblume. Vielleicht war es das Zurückdenken an die schönen, reich blühenden Wildblumenwiesen seiner Kindheit, vielleicht waren es aber auch ganz prosaisch die vielen kornblumenblauen preußischen Soldatenuniformen in seinem Umfeld, die ihn zu dieser Wahl führten. Einer Legende zufolge soll die schöne Luise im Jahr 1806 auf ihrer Flucht vor Napoléon Bonaparte mit ihren Kindern Kornblumenkränze geflochten haben, als ihre Kutsche wegen eines zerborstenen Rades ihre Fahrt unterbrechen musste. Die Vorliebe Wilhelms I. für die schöne Kornblume war seinem Volk bekannt – treue Höflinge bemühten sich, ihrem Monarchen so oft wie möglich einen Kranz aus Kornblumenblüten um sein Frühstücksgedeck zu legen. Wer seine Treue zum Königshaus dokumentieren wollte, steckte sich zudem eine Kornblumenblüte ins Knopfloch.
Und die Kornblume blieb beliebt: Um das Jahr 1910 kannte man hierzulande sogar so genannte „Kornblumentage“: An diesen verkauften junge Mädchen echte Kornblumen oder solche aus Papier, um mit dem Erlös bedürftige Veteranen zu unterstützen. Doch zeitgleich erwählten auch einige nationalistisch und antisemitisch orientierte Verbände und Gruppierungen die Kornblume zu ihrem Symbol, wodurch die an sich sehr hübsche Kornblume heute politisch zu belastet ist, um bei uns als Nationalblume gelten zu können.
Bei den Esten erfüllt sie diese Rolle seit 1968. Deutschland hat keine Nationalblume, aber wir dürfen uns dennoch an den schönen Blüten der Kornblume erfreuen, die nun wieder häufiger auf naturbelassenen Wiesen und Feldern ihr apartes Gastspiel gibt.
Text: Antje Peters-Reimann
Fotos: Staudengärtnerei Gaißmayer