Das feuchte Ehebett der Farne: Mysterium des Generationswechsels
Ein Beitrag von Michael SchwerdtfegerSchon einmal Farne ausgesät? Nein, wie auch, sie bilden ja keine Samen! Und die Vermehrung über die staubfeinen Sporen ist gewiss etwas ganz Mysteriöses und erfordert ein mikrobiologisches Labor und mindestens einen akademischen Abschluss in der Botanik der »Kryptogamen« (das waren für unsere botanischen und Griechisch sprechenden Vorfahren die Pflanzen, die, wörtlich, »im Verborgenen heiraten«).
Tatsächlich hat die geschlechtliche Vermehrung der Farne kaum Ähnlichkeit mit der uns so vertrauten »Blümchen und Bienchen«-Geschichte der Blütenpflanzen, dafür umso mehr mit der der Algen und Moose. Aus den mikroskopisch kleinen Sporen keimt nämlich zunächst ein millimetergroßes, schimmernd-glitzernd grünes, herzförmiges »Läppchen«, ein sogenannter »Vorkeim« (botanisch das Prothallium). Dieser lässt überhaupt keine Ähnlichkeit mit einem Farn erkennen, sondern ginge mit seinem läppchenförmigen, blattlosen Thallus und seinen Rhizoiden eher als Lebermoos durch - und übrigens auch mit seinem einfachen Chromosomensatz, er ist nämlich »haploid«. Wenn der Vorkeim groß und stark geworden ist (wir sprechen da bei einem Farnprothallium von 5 mm!), bildet er mikroskopisch kleine Geschlechtsorgane, die Eizellen und Spermatozoide produzieren. Der männliche Part ist also nicht Pollen und Pollenschlauch wie bei Blütenpflanzen, sondern es handelt sich um im Wasser wuselnde Spermatozoide, gerade so wie bei manchen Algen, bei Moosen und schließlich auch bei Tier und Mensch. Und weil diese schwimmenden Liebesboten also ein »feuchtes Ehebett« brauchen, haben sich die Farne trotz ihres erdgeschichtlich hohen Alters von ca. 350 Millionen Jahren bis heute nicht an die ganz trockenen Lebensräume anpassen können.
Nach der Befruchtung der Eizelle entwickelt sich diese zum Embryo und schließlich zum Farn wie wir ihn kennen. Da sich also bei der geschlechtlichen Fortpflanzung der Farne immer die beblätterte, sporenbildende Farnpflanze und der lebermoosähnliche Vorkeim abwechseln, sprechen die Botaniker vom »Generationswechsel«.
Für unsere Vorfahren musste, bevor das Mikroskop erfunden war, die Herkunft der Farnkinder ein Mysterium bleiben, und so zogen in der lauen Johannisnacht Burschen und Mädels in die Wälder, um den »Farnsamen« zu suchen. Denn nur in der Johannisnacht sollte er angeblich heimlich blühen, um dann seinen Samen zu verstreuen. Die Finder der kostbaren Farnsamen konnten mit ihm, so der Glaube, Magisches bewirken, ja sogar unsichtbar werden, wenn sie ihn sich in die Schuhe streuen.
Aber wir wissen längst, es ist natürlich kein Hexenwerk im Spiel: Fachleute säen die Sporen auf ein Torf-Sand-Gemisch (3:1) und sorgen durch ein Zimmergewächshaus mit Haube für milde Feuchtigkeit und vor allem »gespannte Luft«. Gegossen wird nur im Anstauverfahren von unten, um das Substrat erdfeucht zu halten. Und in ganz kleinem Stil lässt sich das Ganze sogar auf ein paar Töpfchen in einer geschlossenen, klaren Plastiktüte reduzieren, das am absonnigen Ostfenster Aufstellung findet und wo wir dann das Mysterium des Generationswechsels vor unseren begeisterten Augen stattfinden lassen können.
Text und Fotos: Michael Schwerdtfeger