Der Garten und der Globus

Text: Ludwig Fischer

Foto-Quellen:
Jardins de Valloires: Wikimedia Commons, Gilles Clément, Lizenz freie Kunst/LAL
Jardin du Tiers-Paysage: Wikimedia Commons, Flickr-User Russavia, CC BY-SA 2.0
Jardins de l'Arche: Wikimedia Commons, Gilles Clément, Lizenz freie Kunst/LAL
Gilles Clément: Wikimedia Commons, User Coyau, CC BY-SA-3.0

Teil I – Über den französischen Gärtner Gilles Clément und seine Schriften

Gilles Clément, inzwischen 74 Jahre alt, ist ein in Frankreich sehr bekannter Gartengestalter, Dozent an der École Nationale Supérieur du Paysage in Versailles, Autor zahlreicher Bücher, ausgezeichnet mit dem Orde des Arts et des Lettres. Vor allem aber ist Gilles Clément ein radikaler Gärtner – und ein ausgezeichneter Schriftsteller.
Er hat eine Reihe von ungewöhnlichen und weithin gepriesenen Gärten gestaltet, so am Kloster Valloires einen Garten für seltene Pflanzen, der später zum ›Jardin Lamarck‹ erweitert wurde, auf einer Pariser Industriebrache den Parc André Citroen, den Parc Henri Matisse in Euralille und die Gärten der Schlösser von Blois und von Chatenay-en-France bei Paris.

2014/15 war er Gastprofessor für Création Artistique an der berühmtesten Lehr- und Forschungseinrichtung Frankreichs, am Collège de France, und kurz darauf brachte der Verlag Matthes & Seitz in Berlin seine Antrittsvorlesung auf Deutsch heraus: ›Gärten, Landschaft und das Genie der Natur. Vom ökologischen Denken‹. Die schmale Schrift (64 Seiten) umreißt Grundsätze der gärtnerischen Tätigkeit und des Umgangs mit der natürlichen Mitwelt, wie Clément sie versteht. Sein Ansatz durchbricht sowohl das übliche Verständnis von Garten als eingehegter, ästhetisch arrangierter und ›effektvoller‹ Natur wie auch von den gängigen Prinzipien gärtnerischer Arbeit. Daraus, dass er quer liegt gerade auch zu den Erwartungen an öffentliche Gärten und zu dem vorherrschenden Naturverständnis (nicht nur) in Politik und Wirtschaft, hat Clément inzwischen Konsequenzen gezogen: Er hat erklärt, keine Aufträge mehr vom französischen Staat anzunehmen.

Dieser radikale Gärtner versteht den Garten als ein ortsbezogenes und verdichtetes und zugleich als ein von weit ausgreifenden Verbindungen durchwirktes, unabgeschlossenes und fortwährend ›bewegtes‹ Ensemble aus Landschaftselementen, Pflanzen, Tieren – und Menschen. Die gärtnernden Menschen sind für ihn nicht die beherrschenden ›Konstrukteure‹, die ›Raumausstatter‹ und die Dompteure des Natürlichen, sondern er sieht sie – und so auch sich selbst – als Mitwirkende wie als Empfangende in einem hoch komplexen Gefüge des Lebendigen, in das selbstverständlich die lokalen wie die globalen gesellschaftlichen Beziehungen eingehen.
Clément hat für dieses Prozesshafte, das sich im Garten ereignet und an dem die menschlichen Akteure (auch mit ihren Erwartungen, Befürchtungen, Wünschen, Phantasien: »Der Garten ist im Gärtner«!) neben vielen anderen beteiligt sind, den Ausdruck ›jardin en mouvement‹ geprägt, ›Garten in Bewegung‹. Das meint zum einen die ständige Veränderung, die sich im Garten mit den natürlichen Wechselspielen, den generativen und jahreszeitlichen Zyklen, den Wachstums- und Sukzessionsprozessen vollzieht. Zum anderen meint es aber auch den Austausch mit der Welt außerhalb des Gartens: Pflanzen und Tiere, die hereinwandern oder auch wieder verschwinden, Stoffliches, das mit Wasser, Wind, Regen, Schnee hereingetragen wird, unterirdische Verbindungen mit den Umgebungen. Deshalb kann der Garten als ein je besonderer, aber nie isolierter, nie wirklich abgeschirmter ›Kreuzungspunkt‹ der natürlichen und der kulturellen Entwicklungen verstanden werden.

Im zweiten Teil werde ich auf ein weiteres Buch dieses herausfordernden Gartenenthusiasten hinweisen: ›Die Weisheit des Gärtners‹.

Gilles Clément: Gärten, Landschaft und das Genie der Natur. Vom ökologischen Denken. Aus dem Französischen von Brita Reimers. Berlin: Matthes & Seitz 2015. 64 S. 10,00 €

Ludwig Fischer
Garten und Literatur Bis Ende 2017 berichtete Ludwig Fischer aus seinem großen Kräuter-Schaugarten in Benkel nahe Bremen, von dem er Abschied nahm, um sich von nun an stärker aufs Schreiben zu konzentrieren.
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Text: Ludwig Fischer

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