Constance Spry:
Wie ungewöhnliche Vasen und kunstvolle Floristik zu besonderer Schönheit verschmelzen
Text: Editha Weber
Fotos und floristische Kreationen: Editha Weber/Maria Auer
Ab und zu sind in ästhetisch besonders ambitionierten Floristik-Geschäften, Antikläden oder britischen Museen Vintage-Vasen zu entdecken, die bei Kennern und Liebhaberinnen schöner Dinge Freude auslösen und womöglich wie ein (Wieder)Erkennungszeichen wirken. Dank ihrer sanften Kurven, der eleganten Griffe und schmalen Gestalt lassen sich mit diesen Vasen auf Kaminsimsen ebenso wie auf langen Festtagstischen üppige Blüten und Zweige gekonnt in Szene setzen. Zugleich wirken die Vasen aber auch ohne Blumen dekorativ und können attraktive Eyecatcher sein.
Den einen oder die andere erinnern die Vasen an die Britin Constance Spry (1886-1960), eine Frau, die fantasievoll, mutig und unkonventionell war und die die moderne Floristik revolutionierte. Ihre Zeitgenossen verbanden mit dem Namen Constance Spry Glamour und Prominenz. Sie war erfolgreich und vielseitig, führte Dekorationsgeschäfte in London und New York, gestaltete zahlreiche florale Arrangements, sogar für die Hochzeit und Krönung von Königin Elizabeth II wurde sie engagiert. Außerdem gründete sie eine Floristik- und eine Hauswirtschaftsschule und veröffentlichte dreizehn Bücher. Constance Spry war gleichwohl eine leidenschaftliche Gärtnerin, die sich um die Bewahrung historischer Rosen verdient machte. Der britische Rosenzüchter David Austin, der mit seinen Englischen Rosen einen neuen Rosentypus erschuf, ehrte sie, indem er seiner ersten Schöpfung 1961 den Namen ›Constance Spry‹ verlieh. Wer Rosen liebt, könnte also durchaus bereits von der britischen Floristikkünstlerin gehört haben.
Seit den späten 1920ern bis zu ihrem plötzlichen Tod 1960 dominierte sie die britische Floristik mit ausgesprochen raffinierten, gewagten und immer wieder gänzlich unerwarteten Kreationen. Gewagt deshalb, weil sie, kunstvoll arrangiert, zum Beispiel traditionelle Blumen mit Grünkohl, riesigen Rhabarberstängeln und silbrigen Artischockenblättern kombinierte. In Sprys Kindheit und Jugend war es allgemein beliebt, langstielige Rosen, Lilien und Nelken bevorzugt in Silber- oder Kristallvasen zu präsentieren. Das sollte sie ändern, als sie Heckenblumen, Zweige der Trauerweide, Wildkräuter, Gräser und Zierkohl, Artischocken, Cannas oder Kürbisse für Sträuße verwendete, wild kombinierte und mit ihren ungewöhnlichen Kreationen tatsächlich großen Erfolg hatte. Sie lehrte ihre Zeitgenossen, wie zauberhaft die Blütenstände der Wilden Möhre in bunten Sträußen aussehen. Auf einmal fanden Magnolienblüten oder Rosen mit Walderdbeeren oder Rosskastanienblättern als Partner zusammen. Indem sie die Auswahl ungewöhnlicher, bisher nicht als floristisches Material angesehener Gewächse erweiterte, kreierte sie einen floralen Designtrend, der sich bis heute hält.
Kein Wunder, dass ihr klassische Vasen als zu langweilig, ja ungeeignet für ihre fantasievollen Gestecke und Sträuße erschienen. Sie durchstöberte Dachböden und klapperte Trödelläden ab, sie verwendete Saucieren, Terrinen-Deckel, Vogelkäfige, Strohhüte, Backformen oder Gefäße aus unglasierter weißer Keramik, Muscheln haltende Hände, abnehmbare Trompetenvasen oder Vasen in Form von Knospen oder Blumen, ideal für zarte, kleine Sträuße aus gemischten Blüten, die Constance Spry wieder in Mode gebracht hatte. Das Motiv der Hand, gerne lebensgroß und aus Marmor geschnitzt, auf Büchern oder Kissen ruhend, war ein populäres Andenken aus der viktorianischen Zeit.
Wünschten ihre Kunden, sie möge die Blumen in herkömmlichen Glasvasen oder silbernen Rosenschalen arrangieren, bat Constance Spry sie gerne, sich stattdessen in Küchenschränken umsehen zu dürfen und verwendete Schalen, Tassen, Servierplatten oder Brotbehälter. Oder sie brachte ihre eigenen Vasen mit, was dazu führte, dass sie eine sselbstentworfene Serie schlichter, flacher und minimalistisch eleganter Art-déco-Vasen bei der Firma Fulham Pottery herstellen ließ, die diese bis in die Mitte der 1950er-Jahre produzierte. In Sprys Buch »Flowers in House and Garden« schreibt sie: »Beim Entwerfen von Vasen für Flowers Decorations Ltd. stellte ich fest, dass längliche Vasen und Schalen besonders gefragt waren, die auf einen schmalen Kaminsims passten […] sie werden entweder für weit ausladende oder für alle fächerförmigen Arrangements verwendet.«
Im Kontrast zu den enghalsigen edwardianischen Vorgängerinnen waren ihre Kaminvasen wie ein Boot geformt und mit weiten Öffnungen versehen, zudem sehr schwer und damit im Stand stabil. Mit den sanften Rundungen und Henkeln erinnern manche der Vasen an antike griechische Behältnisse. Bevorzugt ließ Constance Spry die Vasen nur im Inneren glasieren, sodass ihre Kundschaft sie passend zu den eigenen Interieuren oder Anlässen außen farbig gestalten konnte. Zu erwerben waren diese Vasen zunächst in ihren Geschäften. Da der Verkauf der Vasen erfolgreich war, entwarfen Gestalter im Auftrag von Fulham Pottery weitere Vasen-Typen, und in der Folge fertigten auch andere Produzenten Kaminvasen dieser Art, die teilweise eigene gestalterische Merkmale aufwiesen.
Wie Kenner der Szene äußern, sind Constance Sprys Vasen für Sammler seit Jahrzehnten interessante Sammelobjekte. Da es seit einiger Zeit ein wachsendes Interesse an Person und Werk gibt, wie die Constance-Spry-Ausstellung im Londoner Garden Museum vor wenigen Jahren dokumentierte, erzielen die originalen Spry-Vasen inzwischen stolze Preise. Gesucht und teuer sind vor allen die unglasierten Exemplare. Selbst die im Stil von Constance-Spry produzierten Vasen anderer Manufakturen erzielen gute Preise. Wobei Vintage-Vasen dieses Stils zahlreich in britischen Antikgeschäften oder Trödelläden oder online zu entdecken sind. Was die Jagd nach diesen Stücken nicht aussichtslos erscheinen lässt.
Wie sich bei der Suche nach den guten Stücken zeigt, sehen sie im Bücherregal, in der Küche oder im Flur, mit oder ohne Blumen dekorativ aus. Zudem inspirieren sie, es einfach einmal mit dem Arrangieren á la Constance Spry zu versuchen. Schließlich motivierte Spry schon zu Lebzeiten andere und meinte: »Öffnen Sie Ihren Geist für jede Form von Schönheit.« So fantasievoll und kreativ wie ihr Werk war, so flüchtig war ihre Kunst. Allein Fotografien, wenige Gemälde und natürlich die Bücher von Constance Spry vermitteln Eindrücke von ihren legendären Blumenarrangements.
Constance Spry bedauerte das Verschwinden handwerklich erzeugter Gegenstände mit individuellem Charme und Charakter sehr. Mit den in Massenproduktion erzeugten, beliebig auswechselbaren Gütern sei es schwierig, individuelle Räume zu gestalten. »Die sich wiederholenden Muster und Designs, die man in den Geschäften sieht, lassen mich in unheilbarer, erschöpfender Langeweile gähnen«, äußert sie verstimmt, »alles sieht gleich aus, so unpersönlich, banal, ein Wust von Gewöhnlichkeit.« Was sich auch auf die Züchtung neuer Pflanzen bezog, bei denen es vielfach allein um mehr Farbkraft, Größe und ums Auffallen gehe, beobachtete sie. Trotz ihres Erfolgs in den Kreisen der Reichen und Schönen blieb sie der Idee verpflichtet, nicht nur Wohlhabende sollten sich Schönheit leisten können. In ihrem Buch »A Millionaire for a Few Pence« empfahl Constance Spry, Grünkohlblätter mit leuchtend roten Rosen zu kombinieren, Marmeladengläser als Behälter zu nutzen oder einzelne Blüten in je eine Vase zu stellen. Mit ein paar Blumen und ein wenig Fantasie sei das Leben zu verschönern. Also öffnen Sie Küchenschränke, durchstöbern Sie alten Hausrat und dekorieren Sie mit Vasen aus Großmutters oder Mutters Sammlungen!
Text: Editha Weber
Fotos und floristische Kreationen: Editha Weber/Maria Auer